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Ein Projekt aus Stormarn: Wie Elisa Eisvogel und Lucy Libelle in der „Draußenschule“ lernen

Raus aus dem Klassenzimmer, rein in die Natur: Das Konzept „Draußenschule“, ein wöchentlicher Ausflug in die Natur, ist in einigen Schulen fester Teil des Stundenplans. Ein Besuch in Bargfeld-Stegen, wo alles seinen Anfang nahm.

von Bettina Albrod Lübecker Nachrichten

Bargfeld-Stegen. Als Naturpädagoge Johannes Plotzki 2008 eine erste Klasse der Grundschule „Alte Alster“ in Bargfeld-Stegen zum Lernen und Naturerleben nach draußen führte, ahnte er nicht, dass er damit den Grundstein für ein neues pädagogisches Konzept legte. „Draußenschule“ heißt das Modell, das mittlerweile in vielen Schulen in Schleswig-Holstein verankert ist und das jetzt 15 Jahre besteht. Einmal pro Woche steht das Lernen in der Natur auf dem Stundenplan.

Seit zwölf Jahren werden die Schülerinnen und Schüler dabei von dem Biologen Tommi Tauchkäfer begleitet, der eigentlich Thomas Lütkebohle heißt. Schon bei den Naturnamen, die alle Kinder sich geben dürfen, kommt man der heimischen Fauna näher. Elisa Eisvogel, Lucy Libelle, Elias Echse und viele andere sind an diesem Vormittag dabei, als es mit Naturtagebuch, Rucksack und Wasserflasche in den Wald geht.

„Ziel ist es, Kinder an authentische Natur- und Kulturphänomene heranzuführen“, erläutert Plotzki. „Das Draußenlernen bietet Erlebnisse, und das in der Lebenswelt der Kinder direkt vor der Schultür. So wird Natur erfahrbar.“

Die Reste von Burg Stegen, die Alte Alster als historischer Wasserweg, Bauernhof, Felder oder Schulwald werden zum Klassenzimmer, um nachhaltig Bildung zu verankern. Lütkebohle führt seine Schützlinge an diesem Tag im Gänsemarsch in einen kleinen Wald. Das erste Tier, das man erblickt, ist ein Wolf: Zacharias ist aus Plüsch und darf im Bollerwagen mitfahren.

Kinder gelangen spielerisch zur Wissenschaft
„Zur Draußenschule gehört auch Verkehrserziehung“, sagt Lütkebohle und lässt die Kinder erklären, warum sie auf der linken Straßenseite gehen – dann kann der Gegenverkehr sie sehen. Auch für die Tierwelt gelten Regeln: „Abstand halten und leise sein, so kriegen die Tiere eine Chance, mit uns zu sein oder sich zu verstecken.“

Die Mücken wollen mit uns sein, ein Schmetterling macht sich lieber davon. Eine Gruppe Heidschnucken wird rechts liegen gelassen – an diesem Tag geht es um Insekten. Wie die Gemsen klettern die Schüler einen Berg hinauf und setzen sich im Kreis auf eine Wiese. „Manchmal baue ich Bewegungsübungen ein, um dem Bewegungsdrang entgegen zu kommen.“

Ein „Temperaturbeauftragter“ darf im Schatten per Thermometer die Temperatur messen, und alle lernen wissenschaftliches Arbeiten: „Gemessen wird jedes Mal an derselben Stelle zur selben Zeit“, erklärt Lütkebohle, „nur so sind Daten vergleichbar.“ Ein geheimnisvoller blauer Koffer enthüllt nicht das Eis, auf das manche Kinder gehofft haben, sondern viele Becherlupen. Dennoch ist das Eis gebrochen: Alle wollen die Lupen ausprobieren und für ihre Naturbeobachtung Tiere sammeln. „Die Kinder bestimmen durch ihre Interessen mit, was gerade passiert“, erläutert der Biologe.

Viele Lernbereiche abgedeckt
Die Öffnung von Schule und Unterricht verändere das Bildungsverständnis nachhaltig, sagt Plotzki, der dafür die „Landschaftsabenteuer“ gegründet hat. Die Mitarbeiter stellen die Lehrer für die Draußenschule, zusätzlich ist jeweils ein Pädagoge der Schule dabei. Während die Kinder Käfer, Ameisen und Spinnen sammeln, lernen sie nebenbei genaues Beobachten, denn jedes Tier wird gezeichnet und im Bestimmungsbuch gesucht. Die Aufgabe weckt den Jagdinstinkt, aber auch den des Beschützers: „Alle Tiere werden anschließend wieder in ihrem Lebensbereich ausgesetzt“, sagt der Biologe.

Die Draußenschule
Was vor 15 Jahren an einer Dorfschule im Kreis Stormarn begann, hat seitdem weite Kreise gezogen. In der Metropolregion Hamburg konnten bisher rund 30.000 Schüler aus 1200 Klassen von 30 Schulen an der „Draußenschule“ teilnehmen.

In Stormarn sind neben der Schule in Bargfeld-Stegen auch Schulen in Bargteheide, Lütjensee, Barsbüttel, Hoisdorf, Grönwohld, Mollhagen, Bünningstedt, Hoisbüttel, Reinfeld und Bad Oldesloe bei der Draußenschule dabei. Finanziert wird die Draußenschule durch Zuwendungen von Stiftungen und durch Spenden, die beispielsweise bei Lauftagen generiert werden.

Leicht traumatisierte Asseln schleichen von dannen, während die Schüler planen, was sie in ihr Naturtagebuch schreiben wollen. Auf diese Weise motiviere man viele zum Schreiben, die sich sonst eher schwer damit tun. Der Draußenunterricht schlägt viele Fliegen mit einer Klappe: Motorische und kognitive Fähigkeiten werden erprobt, wissenschaftliches Arbeiten vermittelt und die Natur nahe gebracht.

Dafür ist dem Konzept 2022 vom Bildungsministerium und der Unesco-Kommission die Nationale Auszeichnung - Bildung für nachhaltige Entwicklung zugesprochen worden. „Man schützt nur das, was man kennt“, erklärt Schulleiterin Nina Klemme. „Nach der Draußenschule gehen Kinder mit anderen Augen durch die Natur.“

 

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Projekt aus Stormarn: Draußenschule in Bargfeld-Stegen - Lernen in der Natur (ln-online.de)